Palm Pre WebOS Smartphone

Geschrieben von (21.10.2009 00:00 CET)

Palm... einer der Pioniere des PDA-Marktes, einst zerschlagen in Soft- und Hardwaresparte und mit beiden langsam, aber sicher in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Auch das Intermezzo mit Windows Mobile (der Treo 750/v als erstes Windows Mobile-Gerät mit Palm-Aufdruck war noch eine Sensation, die beiden folgenden Geräte eher nur eine Randnotiz) war kurz und wenig erfolgreich. Palm OS allerdings von seiner Grundstruktur auch nicht mehr auf einem Stand, der ernsthaft Hoffnung auf eine marktgemäße Weiterentwicklung zulässt.

Preise und Tests für das Palm Pre

Was dem Nokia sein Maemo ist dem Palm sein WebOS: ein neues, komplett anderes mobiles Betriebssystem, das fingerbedienbar und intuitiv zu verwenden ist, aber gleichzeitig funktional und auch für den Businessanwender geeignet ist. Das erste Gerät mit diesem bereits im Vorfeld mit dem Prädikat „das iPhone kann sich warm anziehen“ versehenen Betriebssystem ist seit 13. Oktober 2009 in Deutschland vorerst exklusiv bei O2 zu bekommen.

Nach ziemlich exakt einer Woche exklusiv mit diesem Gerät sind die Eindrücke soweit gefestigt und untermauert, dass ein objektiver Testbericht möglich ist.

Hardware, Haptik und Verarbeitung
Ich gebe gerne zu, dass mich der Pre im Vorfeld so recht gar nicht reizen konnte. Noch ein proprietäres Betriebssystem, ein weiterer vermeintlicher iPhone-Clone, wer braucht das schon? Ein eher zufälliger Blick in einen O2-Shop am 12. Oktober und der Griff nach dem Ausstellungsgerät sorgten für eine Überraschung: Der Pre gefällt. Er ist im ersten Eindruck gut verarbeitet, liegt perfekt in der Hand (da bekommt der Markenname , auf Deutsch „Handfläche“, eine eigene Bedeutung), ist genau so schwer, dass es noch nicht störend, aber wertig wirkt. Auch der Slider-Mechanismus, der die Tastatur durch Schieben des Displays nach oben hervorholt, ist straff und hat wenig Spiel, ein Faktor, der bei vielen Geräten anderen Plattformen eher zum negativen ausgeschlagen ist.

Ob man nun glücklich damit wird, auf der hochglänzenden Oberfläche kontinuierlich die eigenen Fingerabdrücke wegzuwischen oder irgendwann resigniert akzeptiert, dass jeder Tatortermittler sich wünschen würde, die Tatwaffe wäre ein Pre, sei dahingestellt. Hochglänzende schwarze Oberflächen gehören heute zum guten Ton, und solange sie nicht billig wirken, ist es reine Geschmackssache, ob man sie mag oder nicht.

Hier punktet der Pre: Der Klavierlack-Look ist elegant und wertig.

Der zweite Blick allerdings offenbart teilweise widersprüchliches: Nimmt man das Gerät vom Tisch oder aus der Tasche, dann ist es stabil und ohne Knacken und Knarzen. Nutzt man es allerdings intensiv oder nimmt es vom Ladegerät, ist also warm, dann hört man plötzlich beim Tippen auf der Tastatur Geräusche, die vorher nicht da waren. Der Grund: Der Akku ist so eng eingepasst, dass er sich beim Laden oder bei starker Belastung durch die Wärme ausdehnt und Druck auf die Rückenschale ausübt. Kein Problem der täglichen Verwendung, wohl aber eines, das situativ Auswirkungen hat (z.B. wenn kabelllos mittels des Touchstone aufgeladen werden soll).

Auch eher unschön ist das Verstecken der microUSB-Buchse unter einem dünnen Plastik-Kläppchen: Wer mit einem Exchange-Server synchronisiert und per Touchstone lädt, den lässt dies kalt, wer aber per Kabel synchronisiert und lädt, der bekommt schon beim ersten Öffnen Angstschweiß auf die Stirn.So unauffällig die Klappe im geschlossenen Zustand auch ist, so sehr hätte man sich eine andere Lösung in der Anwendung gewünscht.

Gut gelöst ist die ausschiebbare Tastatur: vergleichbar mit der des Palm Treo Pro liegen die Tasten zwar nach beieinander, sind aber gut tippbar und auch halbblind unterscheidbar. Deutsche Umlaute finden sich zwar nicht als einzelne Tasten, können aber eingebettet in die Symbol-Taste schnell erreicht werden (z.B. a ergibt ä).

Unter dem Display ist ein Sensorbereich, von Palm „Gestenbereich“ genannt. Dieser dient dazu, Applikationen zu minimieren (durch Druck auf die kleine silberne Taste) oder in Menüs zurückzugehen (durch Streichen non rechts nach links über die Taste).

Display und Prozessor
Hier brilliert der Palm Pre: 320*480 Pixel auf einem 3.1 Zoll-Display sind nichts besonderes, auch das iPhone oder das Samsung Omnia SGH-i900 verwenden diese Spezifikation. Was allerdings bemerkenswert ist: 16,7 Millionen Farben sind – wenn auch oft in den Spezifikationen angegeben – in „freier Wildbahn“ selten anzutreffen, und ein Display, was dann dazu durch seine Reflektionseigenschaften auch in grellem Sonnenlicht noch wirklich lesbar ist, um so mehr. Respekt! Warum allerdings kein Helligkeitssensor automatisch regelt, wie stark die Hintergrundbeleuchtung eingestellt ist, das weiß nur Palm...

 

Im Palm Pre arbeiten eine 600 MHz ARM Cortex A8 CPU, der Multimediachip Texas Instruments OMAP3430, der Grafikprozessor PowerVR SGX 530 und ein 430 MHz C64x+ Digitaler Signalprozessor. Als Arbeitsspeicher dienen 256 MB RAM; für Daten steht ein acht GB großer, interner Flash-Speicher zur Verfügung. Da sollte man meinen, dass die Bedienung entsprechend ruckel- und verzögerungsfrei von Statten ginge... leider aber offenbart sich hier eine signifikante Schwäche des Palm Pre. Die gesamte Bedienung ist darauf ausgelegt, dass man per Finger wischt und tippt, die in Karten angeordneten laufenden Programme hin und herzieht, aus Listen Elemente löscht, indem man sie mit dem Daumen nach rechts aus dem Bildschirm schnippt etc. Grafisch und intuitiv organisiert. Da macht es dann nur bedingt Spaß, wenn man auf eine Reaktion ein, zwei Sekunden warten muss. Nicht, weil es tatsächlich eine zulange Zeit ist, sondern weil das Bedienverfahren eine Geschwindigkeit suggeriert, die am Ende nicht eingehalten werden kann. Schwer zu erklären, vielleicht am ehesten vergleichbar mit einem HD-Videospiel, das alle Naselang einmal kurz ruckelt. Die Spielbarkeit leidet nicht, der Gesamteindruck schon.

Spannenderweise variiert die Spürbarkeit dieses Effektes mit der Betriebsdauer. Die Zahl der laufenden Programme hat weniger Einfluss, ein Neustart des Gerätes verschafft zumindest kurzzeitig Linderung.

Nochmal klar formuliert: Die Verzögerungen sind spürbar, aber keinesfalls so, dass sie ein KO-Kriterium für die Verwendung des Pre wären. Wer die ersten Versionen von HTC´s TouchFLO miterlitten hat, der kann die Kritik nachvollziehen, aber hier ist sicherlich Optimierungspotential, das im Rahmen eines ROM-Updates ausgeschöpft werden kann.

Der Akku
Kurz und bündig: 1150mAh sind faktisch zu wenig. Punkt. Der Pre ist eine Multimedia- und Kommunikationsmaschine, und das bedeutet zwangsläufig eine relativ hohe Akkulast. In meiner Standardanwendung mit Dauer-UMTS-Verbindung zum Exchange-Server, normaler Nutzung als Kalender und Adressbuch, Twitter- und Google Reader-Nutzung und moderatem Telefonieren komme ich definitiv nicht über einen Arbeitstag, zwischen 8 und 10 Stunden sind das Maximum. Es hätte mich bereits stutzig machen sollen, das Palm dem Pre einen kleinen Handzettel beilegt, der Wege zur Akkuschonung (Funksender aus, Hintergrundbeleuchtung dimmen, UMTS ausschalten) beschreibt...

Hier muss aus meiner Sicht nachgebessert werden: Bei einem Smartphone erwarte ich nicht tagelange Laufzeit, aber einen Arbeitstag muss es einfach aushalten, sonst bekomme ich als Anwender ein Problem. Natürlich kann man zwischendrin mal wieder den Akku kurz aufladen (was im Übrigen rasend schnell geht), aber dies ist nicht die optimale Lösung.

WebOS
Sicherlich der interessanteste Teil des Pre ist das Betriebssystem: WebOS versetzt das Gerät in die Lage, echtes Multitasking zu betreiben. Im Gegensatz zu Windows Mobile bleiben Programme solange tatsächlich offen und aktiv, bis sie manuell beendet werden. Unterstützt wird dies durch die so genannten „Action Cards“: Die Applikationen werden beim Drücken der einzigen Taste auf der Front des Pre zu Karten verkleinert, die nebeneinander angeordnet werden und durch Wischen mit dem Finger und Antippen wieder vergrößert werden können. Was auf den ersten Blick wie ein unspektakulärer Task Manager aussieht, das gewinnt im Praxisbetrieb plötzlich eine neue Dimension: kommt eine neue Mail an, dann wird das Miniabbild des Posteingangs aktualisiert, für Twitter ebenso, einzig die Videowiedergabe stoppt, wenn man sie in den Hintergrund schiebt (der Ladebalken bei einem Youtube-Video aber füllt sich auch im Hintergrund weiter). Dies führt dazu, dann man schnell mehrere Sachen gleichzeitig macht, von einer Anwendung zur nächsten springt, während die erste brav weiterarbeitet. Zum Leben nötig? Nicht unbedingt. Hilfreich? Allemal.

 

Es ist schwer, das WebOS mit einem anderen System zu vergleichen. Zum einen ist es komplett abgeschottet, wie Android und iPhone es vormachen. Kein weitergehender Zugriff auf Systemdateien oder interne Dateistrukturen, keine umfangreichen Einstellmöglichkeiten oder Zugriffe auf die Registry, der Anwender muss sich mit dem vorliebnehmen, was ihm das System in der Oberfläche bereitstellt. Das ist am Ende eine subjektive Entscheidung des Anwenders, ob ihm dies reicht.

Auf der anderen Seite hat Palm es verstanden, ein eigenständiges System zu schaffen, das nicht als Klon des iPhone OS verpönt werden kann: fingerbedienbar, grafisch, ansehnlich, das Problem der Bildschirmtastatur durch eine Hardware-Implementierung elegant umschifft (allerdings tatsächlich im den Preis, auch immer die Schiebetastatur verwenden zu müssen, eine Softtastatur gibt es schlicht und einfach nicht).

In geeigneten Anwendungen wechselt die Orientierung des Bildschirms dank eingebautem Neigungssensor automatisch, Multitouch und das kapazitative Display machen die Bedienung einfach und angenehm.

Was die Begeisterung trotzdem ein wenig schmälert, ist hauptsächlich der Neuheit der Plattform geschuldet: die Zahl der Applikationen, die über den hauseigenen App Catalog bezogen werden können, ist momentan noch sehr gering. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Testberichts fehlten so Kernanwendungen wie ein universeller RSS Reader (Spiegel Online und Bild Online gibt es als separate Applikationen) oder ein Messenger. Es bleibt abzuwarten, wie sich dies in der Zukunft entwickelt. Die Absatzzahlen in den O2-Shops, die Schnelligkeit, mit der das Zubehör ausverkauft war und die Tatsache, dass mit dem Palm Pixi gleich ein zweites Gerät in den Startlöchern steht geben Anlass zur Hoffnung, dass das Softwareangebot sich noch erweitern wird.

Preis:

EUR 481,- ohne Vertrag bei O2.

Fazit:

Ich mag den Pre. Nicht als Business-Gerät, dafür sind Akkulaufzeit, vorinstallierte Software und Softwareangebot deutlich zu gering. Nicht als iPhone-Killer (wenn es diesen Modebegriff in der Realität überhaupt gibt), denn da fehlt dem Pre das letzte Stückchen Coolness. Kurz gesagt: Der Pre ist ein mobiler Begleiter, der einem selbst "nicht auffällt" - im Sinne von ausgereifter Bedienung, die intuitiv und komfortabel ist, gut umgesetzten Grundfunktionen etc. Ob das reicht, um ihn zu einem Verkaufserfolg zu machen und WebOS als Plattform zu etablieren? Zumindest nicht unwahrscheinlich...

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