Editorial: Merger und Kooperationen: Der Wandel des Smartphone-Marktes

Geschrieben von (19.08.2011 00:01 CET)

Wer hätte das vor einem Jahr gedacht? Der Smartphonemarkt, jahrelang von gesunder Konkurrenz zwischen Unternehmen und mobilen Plattformen geprägt, konsolidiert sich, strukturiert sich um, Allianzen bilden und zerschlagen sich in einer Geschwindigkeit, die schwindelig macht.

Aber bringen diese den Markt wirklich voran? Eine Betrachtung aus der Distanz:

Die Entwicklung von Hewlett Packard über die Jahre ist eine der interessantesten und „tragischsten“ auf dem ohnehin sehr wankelmütigen Markt. Noch unter Compaq einer der Pioniere der Pocket PCs, nach dem Merger aber in der Zusammenführung der Compaq iPAQs und der HP Journadas von der Marktführerschaft in die vermeintliche Bedeutungslosigkeit verschwunden. Über die Jahre hinweg immer wieder mit (wenigen) neuen Modellen kurzfristig auf den Markt gekommen und ebenso schnell wieder verschwunden (vor allem, weil die Geräte zwar in sich nicht schlecht waren, durch die Bank weg aber zu spät auf den Markt kamen). Viel zu erwarten war nicht mehr von HP  im mobilen Segment… bis die Nachricht der Übernahme von Palm die Runde machte. Auf den ersten Blick: Die Vereinigung zweier Traditionsunternehmen, der Einkauf von dringend benötigter Expertise, ein vielversprechendes Paket.

Auf den zweiten Blick: Zwei lahme ehemalige Platzhirsche, die zu retten versuchen, was zu retten ist. HP, deren mobile Strategie jenseits der Notebooks seit Jahren nur noch ein Schatten früherer Tage war, und Palm, die nach interner Aufspaltung vom Palm OS zum frischen, neuen WebOS auf dem richtigen Weg schienen, aber mit dem Palm Pre, Pre Plus und Pixi so recht nicht den Markt erreichen konnten.

Nun hat HP die erste Modellpalette im Markt platziert, und dürfte alles andere als zufrieden sein. Der Veer – ein wirklich durchdachtes und reizvolles Einsteiger-Smartphone im Mini-Formfaktor, bleibt wie altes Brot in den Regalen liegen, innerhalb von zwei Monaten senkt HP den Preis von jenseits der EUR 300,- auf EUR 180,-, ein fatales Signal an den Markt und an die Partner wie O2, die das Gerät vertreiben und sich dem Kundenfrust ausgesetzt sehen.

Ob es nun eine Konsequenz aus dem Veer-Debakel oder eine zufällige Fügung ist: Das zweite neue HP Web OS-Gerät, der Pre 3, wurde erst mehrfach verschoben, und nun bricht O2 als Vertriebspartner weg. Bitter im besten Fall, vorentscheidend für das weitere Vorgehen aber sicherlich auch. Ob das – ebenfalls mehrfach verschobene und mittlerweile im Preis gesenkte – HP TouchPad, einst als DER iPad-Killer platziert und mittlerweile als „OuchPad“ und Ladenhüter verschrien, noch etwas herausreißen kann, ist meines Erachtens mehr als fraglich..

Meine Einschätzung: Ein teures Strohfeuer, dass Hewlett Packard nicht wieder als ernst zu nehmenden Player in den mobilen Markt zurück bringt, dafür aber Geld ohne Ende verbrannt hat.

-> Update: Aua. Da hatte ich gerade meinen Post geschrieben, in dem auch HP und der Kauf von Palm und dem Web OS ein Teil waren, da platzt die Bombe. Das war´s mit den Palm Pre´s und den Web OS Tablets. HP will zwar noch prüfen, wie man Web OS nutzen könne, aber das Ende ist eingeläutet. Das erklärt die Preisreduktionen der Veers und des Tablets und die Verschiebungen des Pre 3, aber so schnell hätte wohl niemand damit gerechnet...

Microsoft und Nokia könnten mehr Erfolg haben… weil deren Leidensdruck sich nahezu perfekt ergänzt. Microsoft hat mit Windows Phone 7 endlich ein über die Breite gelobtes mobiles Betriebssystem im Portfolio, krankt aber an der Marktdurchdringung. Vor allem deshalb, weil die Zahl der Hardwarepartner relativ gering ist, und die wenigen Partner dazu noch mit Modellen geizen. Außer HTC (mit 3 Modellen bis zum Mango-Update) sind Samsung, LG und Dell nur mit jeweils einem Modell vertreten. Wer ein Gerät haben möchte, kauft sich eines, hat aber dann wenig  Grund, zu wechseln. Die Geeks schauen dann schnell auf anderen Plattformen, um ein neues technisches Spielzeug zu bekommen.

Nokia wiederum hat eine Vielzahl von Modellen, ist aber seit einiger Zeit auf der dringenden Suche nach dem richtigen Betriebssystem. Symbian ist mittlerweile so alt und verwachsen, dass man erkannt hat: Eine Weiterentwicklung macht wenig Sinn. Meego, lange Zeit als Heilsbringer im Smartphone-Segment propagiert, will so recht nicht fliegen, und nach einiger Zeit im Leerraum war die Wahl von Windows Phone 7 als Betriebssystem nicht nur wegen der Microsoft-Vergangengheit von Nokia-CEO Stephen Elop ein logischer Schritt.

Die einen liefern ein Smartphone-Betriebssystem und bekommen eine Vielfalt von sexy Modellenm, die anderen bieten ihre Hardware und bekommen dafür ein Betriebssystem, dass diese zum Leben erweckt.

Das könnte funktionieren, wenn Nokia auch in der Lage ist, das niederpreisige Einsteigersegment abzudecken.

Ob Google und Motorola miteinander glücklich werden, das wiederum steht auf einem anderen Blatt. Auf den ersten Blick ist es nicht unlogisch: Google hat mit dem Nexus One und dem Nexus S zweimal eine Quasi-Bauchlandung damit erlebt, ein „eigenes Smartphone“ auf den Markt zu bringen, das mit dem hauseigenen Android-Betriebssystem läuft. Weder HTC noch Samsung, die ehemaligen Hardwarepartner, noch Google selbst waren mit den Abverkäufen zufrieden, und dem Vernehmen nach war auch die interne Kommunikation zwischen den Partnern wenig ergiebig.

Durch die Übernahme der Mobilty-Sparte von Motorola hat Google nun direkten Durchgriff auf einen Hersteller, der durchaus mit seinen Handymodellen punkten konnte und bereits mit den Droid-Modellen im Smartphone-Markt und mit dem XOOM im Android Tablet-Markt etabliert ist.

Genau diese Tatsache aber könnte den Deal problematisieren: Schon beim XOOM waren die anderen Hersteller nicht unbedingt amüsiert darüber, dass Motorola einen Vorsprung eingeräumt bekam. Schafft es Google nicht, seinen anderen Hardwarepartnern wie HTC, LG, Samsung, Sony Ericsson, Acer etc. innerhalb der Produktzyklen eine annähernd vergleichbare Behandlung angedeihen zu lassen, dann läuft man Gefahr, dass diese Partner sie frei dem Motto „andere Mütter haben auch schöne Töchter“ wieder mehr nach Alternativen umsehen. Sei es Windows Phone (das, so der Nokia-Deal Früchte trägt, wieder zu einem ernsthaften Mitspieler werden könnte), seien es Eigengewächse wie Bada bei Samsung oder andere Kooperationen. Eine Chance bietet die Akquisition Google, Preis und Risiko sind aber nicht zu verachten.

Fazit:

Es hat sich in den vergangenen Monaten einiges getan, an der Fragmentierung des Marktes hat dies aber nichts geändert. Die Karten sind neu gemischt und ausgeteilt, es bleibt abzuwarten, mit welcher Taktik die einzelnen Spieler ihre Blätter ausspielen. Aus meiner Sicht: Alles ist noch offen.

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