Von Carriern und Wasserträgern

Geschrieben von (02.09.2006 00:00 CET)

 Der gemeine PDA- und Smartphone-Nutzer ist schon geplagt: Gerne nutzt er das
Angebot, das Gerät seiner Wahl zum günstigen Preis nicht beim normalen PDA-Händler, sondern mit einem Vertrag (der Trend geht sowieso zum Dritt- und Viert-Handyvertrag) zu kaufen und dabei beim Kaufpreis richtig zu sparen.
Für die Limitierungen, die er damit in Kauf nimmt, ist das Verständnis oft nicht ganz so groß. Wer das aber als "selbst schuld" abtut, der macht es sich dann doch zu einfach.

Der SIMLock/Netlock:
SIMLock (die Einschränkung der Nutzung des Geräts auf eine bestimmte SIM-Karte und damit Rufnummer) ist schon so alt wie Methusalem´s erstes Handy. Wir Deutschen kennen das nur von Prepaid-Handies: Günstiges Gerät, Zwang der Nutzung der gekauften Karte und damit verordneter Umsatz für den Carrier. PDAs und Smartphones blieben davon weitestgehend verschont.
Nicht, wie viele meinen, erst beim MDA Pro eingeführt, sondern schon beim O2 XDA: Der Netlock. Ein ähnliches Prinzip, nur, dass die Nutzung nicht auf eine spezielle Karte, sondern das Netz des Carriers eingeschränkt ist, der MDA Pro beispielsweise mit jeder T-Mobile-Karte genutzt werden kann, nicht aber mit vodafone, O2, E-Plus, etc.
Beide Einschränkungen haben mehreres gemeinsam: Zum einen holt sich der Carrier die Subvention des Gerätepreises durch die "erzwungene" Nutzung des eigenen Netzes teilweise wieder zurück, zum anderen lassen sich beide kostenpflichtig entfernen. Beim MDA Pro beispielsweise fallen einmalig EUR 99,- an, dann ist die Limitierung aufgehoben (Wie war das? Nichts ist teurer geworden, nur die Währung DM durch Euro ersetzt worden? Das Freischalten des XDA kostete damals DM 99,- :).
Meiner Meinung nach erwirbt der Käufer ein Gerät mit dieser bekannten Einschränkung und nimmt den günstigeren Preis gerne mit, ein schneller (kostenpflichtiger) Ausweg ist aber gleichermaßen bekannt wie verfügbar. Alternativ könnte er auch beim PDA-Händler ein ungelocktes, nicht gebrandetes Gerät wie beispielsweise von Qtek oder i-mate nehmen... nur die sind im Vergleich deutlich teurer.

Das Branding/die Carriersoftware:
Vorweg: Ich mag´s auch nicht.... : Dass ein Telefon oder ein PDA plötzlich flammend rot oder grauselig magenta daherkommt, schmerzt oft im Auge. Zumindest bei Pocket PC Phone Edition-Geräten kann man das leicht umgehen.
Jedes Gerät besitzt ein so genanntes "Extended ROM", einen versteckten Speicherbereich des ROMs, in dem sich die Installationsdateien für vom Carrier gewünschte Programme befinden. Meist befinden sich darin viele "Kleinigkeiten", die Carrier-spezifisch sind (so z.B. bei O2 das Homezone-Plugin, allgemein die Kontoeinstellungen für WAP- und GPRS-Verbindungen, der MMS-Client, etc.), vor allem aber auch die so verhassten Umstellungen in der Oberfläche. Während man das Heute-Thema schnell unter Start, Einstellungen, Heute auf das Standard-Windows-Thema ("Windows-Standard") einstellen kann, ist ein Thema ein unveränderliches Ärgernis: Das Dialpad, also die virtuellen Wähltasten. Diese sehen mit Carrier-Branding nicht wirklich schön aus. Dies lässt sich leider nicht rückgängig machen.
Kalkuliert man noch ein, dass in vielen Fällen die Performance des Geräts unter den Einstellungen leidet, dann ist ein Weg fast vorprogrammiert:
Beim ersten Einschalten des Geräts (oder nach einem Hardreset) kommt der Standarddialog zur Einrichtung: Stift kalibrieren, dann das "Verschieben des Zahnarzt-Termins" und das Einrichten eines Startpassworts. Zu diesem Zeitpunkt sollte man schon den Stift im Reset-Loch haben: Kommt die kurze Mitteilung "Ihr Gerät wird in 3s konfiguriert", dann schnell einen Softreset durchführen. Dadurch wird der Einrichtungsvorgang abgebrochen und das Gerät bleibt im ursprünglichen Design. Wie gezielt auf das Extended ROM zugegriffen werden kann und einzelne Dinge nachinstalliert werden können, findet sich in diversen Foren, unter anderem auch hier.


Die Zertifikate/der Application Lock
Dies ist eines der Themen, die wirklich ärgerlich sind und immer wieder zu Verstimmungen und Missverständnissen führen. Integriert in Windows Mobile ist eine Sicherheitsfunktion, die optional ein- oder auszuschalten ist. Besonders Geräte mit integriertem Telefon sind potentiell anfällig gegen Missbrauch: Ohne, dass der Benutzer es mitbekommt, können theoretisch Daten aus dem Gerät ausgelesen werden und an einen beliebigen Server verschickt werden, hoher (kostenpflichtiger) Traffic produziert werden, etc. Voraussetzung: Ein entsprechendes Programm wird auf dem Gerät installiert. Programme können mit einem digitalen Zertifikat versehen werden, das deren einwandfreie Funktionsfähigkeit garantiert und solche Funktionen ausschließt. Der Carrier wiederum kann im Gerät festlegen, dass nur solche Programme, die das richtige Zertifikat haben, auch ausgeführt werden können.
Bis hierhin klingt das alles ganz vernünftig. Kalkuliert man aber ein, dass die Zertifizierung kostenpflichtig ist und diese sich gerade für Free- und Shareware-Programmierer nicht rechnet, dann wird schnell klar, dass dies eine signifikante Einschränkung der Nutzung des Geräts bewirkt.
Bisher war es so, dass man auf verschiedenen Wegen (per Freischaltung bei Orange für deren Geräte, durch Registry-Änderungen, etc.) eine so genannte Dezertifizierung (der Begriff an sich ist falsch, es handelt sich nicht um ein entfernen des Zertifikats, wie der Name andeutet, sondern um ein Ausschalten der Prüfung des Zertifikats einer Software) durchgeführt werden.
Hier werden die Carrier in den letzten Wochen leider immer rigider: die entsprechenden Registry-Bereiche werden so geschützt, das man sie nicht mehr ändern kann, eine Dezertifizierung wird gar nicht mehr angeboten, etc. Noch schlimmer: wer einen Exchange-Server verwendet und den Datenverkehr sinnvoller weise per SSL verschlüsselt, der kann nicht einmal mehr ein selbst erstelltes Zertifikat verwenden... und wer leistet sich schon ein teures, jährlich zu bezahlendes Verisign-Zertifikat?
Eines der modernsten Smartphones, das HTC Mteor, ist eines der Geräte, die so abgeschottet sind, dass viele Benutzer schon entnervt von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht haben.
In diesem Punkt arbeiten Anbieter und Carrier vollkommen kontraproduktiv: Wer einen Pocket PC oder ein Windows Mobile Smartphone nutzt, der ist technikbegeistert und weit anspruchsvoller als der Standard-Nokia-Kunde, der sich schon über seinen polyphonen Klingelton freut wie ein Schneekönig. Exakt diese Kunden aber werden durch die Einschränkungen so in der Nutzung behindert, dass sie sich schnell nach Alternativen umschauen. Genau diese Kunden aber sind es, die durch Telefonie und vor allem die Nutzung der Datendienste Geld in die Kassen spülen. Vielleicht aber ist das zu wenig und die netzinternen Live-Portale, Videostreams und Klingeltöne bringen mehr als das...

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