Der grosse Lauschangriff

Die Diskussion um den "Bundestrojaner" schwelt schon Monate, in den letzten Wochen ist sie durch die Entscheidung unserer Staatsführung (aus der Historie bietet sich StaFü als Abkürzung an) nochmal angefacht worden. Nun dürfen also Verbindungsdaten, E-Mails, Telefonate "auf Verdacht" abgehört werden und Daten auf Vorrat gespeichert werden. Wie auch immer sich ein solcher Verdacht zusammensetzen mag, das steht in den Sternen....

Deutschland hat schon bei der Umsetzung der Europäischen Datenschutzrichtlinie erst dann reagiert, als die EU die ausgebliebene Umsetzung in Länderrecht mit hohen Strafen zu ahnden drohte... und daraus ein Bundesdatenschutzgesetz gebaut, das an Unlesbarkeit, Öffnungsklauseln und Unstimmigkeiten selbst im bundesdeutschen Gesetzesdschungel seinesgleichen sucht. Zwei Dinge aber hat man klar formuliert:

§3a BDSG schreibt die Datenvermeidung und Datensparsamkeit vor, postuliert also die Verpflichtung, so wenig Daten wie eben möglich zu erheben. Da passt eine Vorratsdatenspeicherung überhaupt nicht ins Konzept...

§4 BDSG definiert die Zulässigkeit der Datenerhebung von personenbezogenen Daten (und Verbindungsdaten gleich welcher Form zählen unzweifelhaft dazu), §28 die Zulässigkeit der Nutzung personenbezogener Daten inkl. deren Zweckbindung. Gerade letzterer Paragraph lässt keinen Spielraum, Verbindungdaten anders als zum definierten Zweck (nämlich der Abrechnung) zu nutzen.

Leider ist §4 einer der Paragraphen, die eine der unglücklichen Öffnungsklauseln enthalten: " [...] zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet [....]". Fassen wir es zusammen: aus Datenschutzsicht und dem zugrunde liegenden Gesetzeswerk unzulässig, darum bauen wir uns ein neues Gesetz, dass dies aushebelt?

Ich kann es einsehen, dass bei konkreten Hinweisen auf terroristische Akte, Schwerstverbrechen, etc. der Staat bzw. seine Exekutive konkret, zeitlich begrenzt und überwacht Zugriff auf Daten bekommt, die ihn sonst nicht zu interessieren haben. Datenschutz kann nicht als "Täterschutz" missbraucht werden, wie ihm ja immer wieder gerne unterstellt wird.

Ich kann nicht einsehen, dass der Staat bzw. seine Legislative sich Gesetze schaffen, um ungeliebte Gesetze so zu drehen und wenden, wie es gerade in den Kram passt. Und noch weniger kann ich es einsehen, dass es zulässig ist, Millionen von Menschen, die miteinander kommunizieren, unter einen Generalverdacht zu setzen, bei Themen wie beispielsweise der Verhältnismässigkeit der Mittel in Entführungsfällen aber streng Gesetze, sie bestehen, einzuhalten.

Missbrauch ist kaum zu unterbinden, aber Missbrauch, der potentiell zum Schaden einer Person führt, auszuschliessen und Missbrauch, der zum Schaden einer Vielzahl von unbedarften Anwendern führt, in Kauf zu nehmen, das ist bar jeder Logik und gegen die ethische Aufgabenstellung eines so genannten "Volksvertreters".

Und wie der Kollege Samaschke bereits schreibt: Die ersten Wildwüchse zeigen sich schon... warum diese Daten nicht gleich dazu verwenden, Urheberrrechtsverstösse zu verfolgen? Schliesslich ist doch jeder, der sich im Internet bewegt, ein Musikpirat, der sich MP3s und die neuesten Filme saugt, wo er nur kann, und im Gegenzug die neueste Software zum Download bereitstellt, oder?!

Ich bin alles andere als ein "linker Spinner" und Vertreter der "legal, illegal, scheissvollkommen egal"-Philosophie, hier aber platzt mir der Kragen. Als Webseitenbetreiber muss ich gaaaaaanz fein aufpassen, was ich mit den Logdaten meines Servers mache, und darf sie prinzipiell nur für die Fehlersuche/Intrusion Detection nutzen. Als "Staatsbetreiber" küre ich das Gesetz des Monats und bin fein raus. Das ist Willkür...!

Inmitten einer hitzigen Diskussion um dieses Thema kommt die beste Ehefrau von allen und wirft trocken in die Runde: "Wo ist denn das Problem? Wer nichts zu verbergen hat, der hat doch auch nichts zu befürchten?!" Betretenes Schweigen.... nur nicht definierbar, ob´s ein Schock der Un- oder der Erkenntnis war oder ein Aufbäumen der eigenen Paranoia...

Disclaimer: Dies ist kein juristischer Artikel, keine Rechtsberatung, sondern meine eigene, freie Meinung. Die, zumindest die, maße ich mir an zu behalten, wenn mein informationelles Selbstbestimmungsrecht schon mit Füßen getreten wird. :-(

Dieser Beitrag wurde geschrieben von am Mittwoch, 28. November 2007 um 16:04 und eingeordnet unter Blog , Kommunikation .

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